TUSCHplenum 2023
Nachdem bei der TUSCHbar im vergangenen Dezember die Frage aufkam, wie die Kinder und Jugendlichen noch mehr in die Arbeitsprozesse bei TUSCH eingebunden werden können, kam die Idee auf, einen Workshopnachmittag rund um das Thema „Klang, Sounds, Geräusche“ im Rahmen des jährlichen Plenums anzubieten. Es sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, jenseits von Youtube und „Musik aus der Dose“, selbst aktiv die Geräuschkulisse einer Theaterproduktion zu gestalten. Um eine möglichst große Bandbreite abzudecken, konnte das Thema von zwei Perspektiven angegangen werden: zum einen war der Ausgangspunkt das iPad, zum anderen Schrott-Gegenstände. Die Teilnehmenden konnten sich im Vorfeld zu einem der beiden Workshops anmelden und sich entsprechend vorbereiten. Von den meisten Partnerschaften waren an dem Nachmittag Personen vertreten, um neue Wege auszuprobieren, die Geräuschkulisse in ihren Theaterproduktionen zu erweitern.
Die Schlagzeugerin und Klangkünstlerin Nathalia Grotenhuis bat die Teilnehmenden ihres Workshops im Vorfeld darum, „Zeugs“ mitzubringen (Dosen, altes Deko-Zeugs, kaputte Schubladen, Blumentöpfe etc. etc.). Dabei arbeitete sie unter den Fragestellungen: „Was ist ein Musikinstrument? Kann eine Gießkanne Musik machen?“. In ihrem Workshop drehte sich alles um selbst gebaute Instrumente und Klangerzeuger: Aus Schrott und Sperrmüll werden eigene Instrumente gebaut. Der künstlerische und kreative Umgang mit vorhandenem Material steht im Mittelpunkt. Dabei können Rhythmusinstrumente entstehen, einfache Tonerzeuger oder auch Effektgeräte. In dem Workshop wurde praktisch gearbeitet. Es ging darum, Inputs zu geben und die Möglichkeiten zu zeigen, auszuprobieren und zu schauen, wie dies in der Theaterarbeit fruchtbar gemacht werden kann.
Einen ganz anderen Ansatz verfolgt der Pädagoge, Musiker und Apple Teacher Christoph Heyd, der auch im Bereich „kreative Unterrichtspraxis“ des Hessischen Kultusministeriums in der Abteilung Büro Kulturelle Bildung arbeitet und im Vorfeld die Teilnehmenden bat, sich bestimmte Apps herunterzuladen – wer kein Apple Gerät besaß, konnte sich vom Schultheater-Studio ein vorher mit den entsprechenden Apps ausgerüstetes Gerät leihen. Neben vielen anderen Dingen eignet sich das iPad hervorragend, um damit Sounds, Klänge und Musik zu erzeugen, sie aufzunehmen oder sie zu verwandeln. Sehr einfach lassen sich damit Musik und Sprache in den Theater-Unterricht und Aufführungen einbauen. Und das alles ohne viel Vorerfahrung. Die Teilnehmenden können lernen live eine Bühnenmusik zu gestalten, wie auf sehr einfache und schnelle Art und Weise ein Song oder Hörspiel entstehen kann, wie Sprache kreativ genutzt werden kann, indem sie digital verändert wird, und wie das iPad als Musik- und Performanceinstrument eingesetzt werden kann.
So waren die Workshops vorher angekündigt und beschrieben – die Teilnehmenden teilten sich in zwei nahezu gleich starke Gruppen auf, also etwa die Hälfte betrat das Schultheater-Studio an diesem Nachmittag mit einem Beutel voller Schrott. Doch zunächst sammelten sich die Menschen zur Begrüßung im Saal. Sina Kuhlins aus dem Leitungsteam des Schultheater-Studios und Dr. Kristina Stein-Hinrichsen vom Büro Kulturelle Bildung des HKM betonten gleichermaßen die Wichtigkeit von Theater im Kontext des Kooperationsprogrammes und hierbei insbesondere die Ausschöpfung der Partizipationsmöglichkeiten von Kindern und Jugendlichen im Programm TUSCH. Nachdem Dr. Gundula van den Berg das Programm des Nachmittags vorstellte, konnte auch schon losgelegt werden – beide Workshopsleitungen hatten ihre durchaus längeren Einheiten auf sportliche zwei Stunden reduziert! Und doch ist es beiden Gruppen gelungen, eine kleine Performance zu erarbeiten, die der jeweils anderen Gruppe vorgestellt wurde: Die „iPadler*innen“ entführten die Zuhörenden in eine Welt sphärischer Klänge, die „Schrottmusiker*innen“ boten sogar ein kleines Konzert mit ihren selbst gebauten Instrumenten.
Das klingende iPad
Wie kann man Musik für die Bühne nutzen?
Mit dem iPad kann mensch experimentell und kreativ arbeiten und auch interaktive Bühnenmusik bereitstellen. Für das iPad eignet sich dafür besonders das Programm „Garage Band“, für Android gibt es „Walk Band“. Auch für den Umgang mit digitalen Werkzeugen darf gelten: MACHEN, SPIELEN, FREUDE EMPFINDEN.
Garage Band bietet dafür eine App mit der auch ohne musikalisches Vorwissen, (atmosphärische) Musikstücke entwickelt werden können. Dabei kann das Genre, die Geschwindigkeit, die Tonart, der Takt, das Instrument etc. ausgewählt und zu einem eigenen Stück zusammengeführt werden. Der Reiz bei Garage Band liegt darin, dass mit Hilfe eines Apple Gerätes und eines kleinen Lautsprechers in Proben bereits mit der Musik experimentiert werden kann, Geräusche, Melodien und Rhythmus angepasst werden können und die Schüler*innen partizipativ in die Produktion der Musik eingebunden werden. Aber auch über die Improvisation hinaus, kann das iPad als „Live-Instrument“ bei einer Aufführung eingebunden werden. So lässt sich ein gesamtes Orchester platzsparend auf der Bühne etablieren.
Die Rückmeldung der Teilnehmenden war, dass die Musik in den Schultheater-Produktionen bisher meist von YouTube abgespielt wird. Nach dem Workshop mit Christoph Heyd ist der Reiz da, „Garage Band“ auch in der TUSCH-Theaterarbeit zu nutzen, gar mit der Musikfachschaft zu kooperieren und gemeinsam aktiv zu werden. „Garage Band“ hat gute Impulse geliefert, über den Einsatz von Musik nachzudenken und sich nun auch selbst an die Musikimprovisation und den Live-Einsatz auf der Bühne zu wagen. Es bleibt allerdings zu bedenken, dass die Tontechnik durch entsprechend geschulter Menschen bedient werden muss, damit Lautstärke und Klang bei größeren Aufführungen auch ansprechend und zufriedenstellend abgespielt werden können.
Weitere Empfehlungen:
- Sound Amplifier zum Aufnehmen und Abspielen für aufgenommene Sounds
- Loopy als kostengünstigere Empfehlung zu einer Loop Station
- Node Beat App zum Erstellen von Klangcollage
Kontakt zu den Workshopsformaten von Christoph Heyd:
https://kultur.bildung.hessen.de/ws-programm/digital/neumedien/ipadkreativ.html
Schrottmusik – Instrumentenbau aus Schrott
Ein paar Stunden vor Beginn der Veranstaltung lud Nathalia Grotenhuis ihr Auto auf dem Gelände des Schultheater-Studios aus: Werkzeuge, Nägel, ein stabiler Tisch und haufenweise „Schrott“ wurden im Foyer ausgebreitet und ausgelegt, dass mensch sofort Lust bekam, loszulegen. Die Sinne wurden zunächst auf das Hören gerichtet: Welche Geräusche umgeben uns? Wie verändern sie sich? Wie werden sie von uns wahrgenommen? „Instrumentenbau“, so konnten die Teilnehmenden lernen, ist eigentlich der falsche Begriff: zu dem, was in dem Workshop anstand, passt eher der Begriff „Klangerzeugerbau“. Ausprobieren und Experimentieren stand im Vordergrund, ob alleine, zu zweit oder in einer kleinen Gruppe. Die meisten der Teilnehmenden entschieden sich jedoch dafür, alleine zu experimentieren: viele Klänge kamen da zusammen, ein Instrument konnte auch verschiedene Töne erzeugen. Was am Ende aber herauskommt, wenn Menschen vor einem Schrotthaufen stehen, lässt sich im Vorherein selten sagen – das macht ja die Reise auch so spannend, für Lehrende und Schüler*innen gleichermaßen – keine*r kann das Ergebnis vorhersagen!
Nachdem die Klangkörper fertig waren, begann ein weiterer spannender Prozess: wie lassen sich die einzelnen „Instrumente“ zu einem Ganzen kombinieren? So kam es, durch genaues Zuhören und gleichsam ein Gruppenempfinden für Dramaturgie, zu Spontankonzerten, die wiederholt werden konnten, aber niemals gleich waren. Zu Übungen und links zu den neu entstanden Klangkörpern im gemeinsamen Spiel siehe auch die Anlagen von Nathalia Grotenhuis.
In der Reflexionsrunde wurde klar, dass viele der Teilnehmenden Erfahrung mit Klang- und Rhythmuserzeugung haben, dass im Theater selbst Figurenentwicklung über Sounds geschieht, gleichzeitig aber die Feststellung im Raum stand, dass es gerade Kindern immer schwerer fiele, sich auf Rhythmen und koordinierende Bewegungen einzulassen. Zustimmung erhielt der Beitrag, der das Bauen von Klangkörpern als einen nächsten Schritt nach dem Ausprobieren von Geräuschen von Materialien (Laub, Papier) bezeichnete. Heute war das Entscheidende, dass niemand vorhersagen konnte, was bei den „Instrumenten“, bei den spontanen Konzerten herauskommen würde. Das spontan vorgetragene Konzert aller Workshopteilnehmenden erhielt viel Beifall, zumal tatsächlich auch Spannungsbögen und interessante Collagen bei diesem Akustikexperiment herauskamen.
Hier liegt auch eine große Chance in der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen: Wenn niemand weiß, was herauskommt am Ende, ist die Möglichkeit einer enthierarchisierten Arbeit auf Augenhöhe möglich – ein seltener, aber kostbarer Moment im System Schule!
Nachdem sich die Teilnehmenden der Workshops intern ausgetauscht hatten, gab es noch eine kurze Zusammenfassung für die jeweils andere Gruppe. Es folgte noch ein Ausblick auf das TUSCHpektakel: Einzelne Partnerschaften nahmen die Möglichkeit zum Tausch der Stellprobenzeiten in Anspruch – der Spielplan blieb unverändert. Insgesamt war es ein erfolgreicher Nachmittag mit vielen unterschiedlichen Impulsen, Gelegenheiten, die anderen Partnerschaften kennenzulernen und sich bereits mit dem SCHpektakel vom 19.-22. Juni im Gallus Theater vertraut zu machen.